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Elternsein als Pfad: Wie wir Zuversicht in unseren Kindern nähren
Arthur mit Drachen

Arthur mit Drachen

Geschrieben durch Chris Tamdjidi, Sophie Maclaren und Beate Kirchhof-Schlage für Buddhismus Aktuell

For an English version of this article, click here.

Einführung

Als Buddhisten fragen wir uns oft, wie wir eigentlich unsere Kinder buddhistisch erziehen können –  oder wie es uns zumindest gelingen könnte, ihnen zu helfen, freundliche, weise und zuversichtliche Erwachsene zu werden. Das allein scheint in diesen Tagen schon sehr schwierig zu sein.
Vielen ist das Großziehen der Kinder Belastung – verbunden mit allerleih Stress, der sie von ihrem eigentlichen Leben und ihrem spirituellen Pfad ablenkt.
Oft kommt es uns als Buddhisten so vor, als wären die Kinder eine weitere Schwierigkeit auf unserem Pfad: erst machen sie es uns unmöglich oft und intensiv zu meditieren, weil sie soviel Zeit und Aufmerksamkeit einfordern, dann, wenn sie selbstständiger sind und uns weniger brauchen, stürzen sie uns in bislang unbekannten Ausmaß in emotionalen Aufruhr und Krisen.
Das kann einem spirituellen Pfad ja wohl kaum zuträglich sein.

Trungpa Rinpoche, der Begründer der Shambhala Gemeinschaft, empfand das ganz anders: Er forderte seine Schüler auf zu heiraten, Kinder zu kriegen, einen Haushalt zu führen.

„Die Leute fragen mich oft, wie wir Kinder und sogar Babys von vier Monaten buddhistisch erziehen können. Nur gibt es gar keine buddhistische Weise die Kinder auf ihren Weg zu bringen. Die Frage ist vielmehr, wie die Eltern zu einer wirklich buddhistischen Herangehensweise gebracht werden können. Das heißt, dass im Grunde die kleinen Kinder ihre Eltern zu einer Haltung von Verantwortlichkeit erziehen.“

Das scheint der springende Punkt zu sein: Wenn wir wirklich buddhistische Praktizierende sind, strahlen wir es einfach aus. Da gibt es gar keine Notwendigkeit darüber nachzudenken, wie wir unsere Kinder zu Buddhisten erziehen –die Frage kommt gar nicht auf.
So ist es schließlich mit allen Situationen, die das Leben für uns bereit hält: statt sie als Ablenkung von unserer spirituellen Praxis zu sehen, könnten wir sie als unseren eigentlichen Pfad erkennen.
Wenn wir also das Großziehen unserer Kinder und das Leben mit ihnen zu unserem Pfad machen, kann das auf ganz tiefgründige Weise aus verschlossenen und um sich selbst kreisenden Wesen, die wir zu sein neigen, offene und mitfühlende Menschen machen.

Elternsein als Pfad

In den Lehren der Shambhalatradition gibt es einen längeren Text, der die Entwicklung des Geistes auf dem Pfad beschreibt.
Eine zentrale Passage lautet:

Dieser Geist voller Furchtsamkeit
Sollte in die Wiege liebender Freundlichkeit gelegt werden
Und mit der tiefgründigen, strahlenden Milch ewiger Zweifelsfreiheit
genährt werden.

Man kann diesen Text als eine Belehrung, wie man auf dem spirituellen Pfad mit dem Geist arbeitet, verstehen. Man kann ihn aber auch als eine inspirierende Quelle betrachten, die uns lehrt, wie wir unsere Kinder auf ihrem Weg ins Leben nähren.
Beide Sichtweisen teilen denselben Ausgangspunkt: Achtsamkeitspraxis und Wertschätzung.

Meditation üben

Wenn wir uns in der Disziplin der Meditation üben, fangen wir bei uns selber an: Wir legen unseren oft so furchtsamen und verwirrten Geist in eine Wiege liebender Freundlichkeit. Und jedesmal, wenn wir die Meditationshaltung einnehmen und unsere Achtsamkeit auf dem Atem ruhen lassen, beginnen wir unseren Geist auf eine ganz grundlegende Weise zu entspannen.
Wir sehen unsere Gedanken und Gefühle ohne sie zu beurteilen oder zu zensieren und kommen immer wieder zu unserem Atem zurück. So nähren wir uns und verbinden uns mit der offenen und unbedingten Natur unserers Geistes jenseits all unserer Hoffnungen und Befürchtungen.
Solch sanfte und sehr persönliche Disziplin übt uns in Achtsamkeit und Offenheit und in einer Haltung der Wertschätzung, die über die Idee von Loben und Tadeln hinausgeht. Das ist, was wir wirklich im Leben mit unseren Kindern brauchen: Offenheit und Wertschätzung. Es ist die eigentliche Disziplin der Elternschaft, das zu üben und auszustrahlen.
Oft grübeln wir ja, wie wir wohl unseren Kindern solche Werte vermitteln könnten und übersehen dabei schnell, dass wir erst einmal bei uns selber anfangen müssen und zwar in einer stets sanften und überaus freundlichen Art. Dann, und nur dann, wenn wir Meditation wirklich üben und uns mit der Offenheit unseres Geistes wieder und wieder verbinden, können wir solch eine Haltung einfach austrahlen und übertragen.

Umdze Dali

Umdze Dali

Achtsamkeit im Leben mit den Kindern üben

Was Kinder sehr von Eltern brauchen ist Achtsamkeit: ganz und gar da sein.
Kinder leben in der Gegenwart im Hier und Jetzt, nicht in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit. Wenn wir jedoch stets beschäftigt sind und uns von unseren Sorgen und Plänen aus dem gegenwärtigen Augenblick hinaus katapulieren  lassen, dann verpassen wir sie. Eltern können ihr ganzes Leben damit verbringen ihre Kinder zu verpassen.
John Kabat-Zinn schreibt über die Bedeutung von Achtsamkeit auf dem Pfad des Elternseins:

„Achtsamkeit ist nicht wertendes Gewahrsein in jedem Augenblick. Achtsamkeit kann kultiviert werden, indem wir immer präziser üben, aufmerksam im gegenwärtigen Moment zu sein und es dann aufrecht erhalten.
Achtsamkeit gibt uns Eltern auf dem Pfad die Möglickeit, einerseits die eigenen alten Verhaltensmuster zu durchdringen und andererseits die Kinder wirklich so zu sehen, wie sie sind, so daß wir tatsächlich aus Mitgefühl und Weisheit handeln.“

Wenn wir uns im Umgang mit unseren Kindern in Achtsamkeit üben, werden wir schnell feststellen, dass wir im Grunde mehr an uns als an ihnen arbeiten. Denn es sind unsere eigenen Gedankenmuster, Erwartungen und Gefühle, die uns aus dem gegenwärtigen Moment hinaus tragen.
Wir können auch mit den Kindern gemeinsam üben, achtsam und gegenwärtig zu sein, statt ihnen immer nur Zeit für unsere Praxis zu „stehlen“. Wir können uns einmal mit ihnen aufs Meditationkissen setzen, eine gute Haltung einnehmen und versuchen wirklich da zu sein. Mit Haut und Haaren, bedingunslos, offen, interessiert. Kinder spüren das und gehen wunderbar darauf ein und öffnen uns ihre Welt, die voller Jetztheit und Magie ist. Das ist der Weg, mit ihnen von Herz zu Herz eins zu sein.

Aufgeben üben

Zur Disziplin des Elternseins gehört noch eine weitere Übung, die zunehmend in Vergessenheit gerät. Diese Übung heißt: lernen wie man Territorium aufgibt und Bestrebungen loslässt; üben, wie man beispielsweise auf den Wunsch nach Ruhe und Frieden verzichtet – besonders nachts -, oder wie man die Idee stets makelos sauberer Kleidung aufgibt und die Hoffnung auf spontane Restaurantbesuche.
Wenn wir wirklich für unsere Kinder da sein wollen, gilt es auch in Frage zu stellen, wieviel Zeit und Energie wir dem fordernden Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen und wieviel Gewinn und Ansehen wir bereit sind zu Gunsten unserer Kinder aufzugeben.
Es sieht so aus, als wäre all das, worüber wir zu definieren pflegten, wer wir sind, in Frage gestellt, wenn wir Kinder haben: unsere erfolgreiche Arbeit, die Hobbies und Freundschaften.
Es gibt eine Menge moderner Erziehungsratgeber, die uns Eltern wohl deshalb Strategien vermitteln, wie wir unser Territorium trotzalledem wahren können, indem wir mehr Geschick entwickeln, unsere Kinder zu verwalten. Kleine Kniffe, die Babys zum früheren Durchschlafen bringen und Tricks, die unsere Kinder dazu trainieren, sich wie Erwachsenen zu benehmen bevor sie eigentlich dazu reif sind.
All diese Tricks und Kniffe geben uns jedoch im Grunde das Gefühl, in eine Auseinandersetzung verwickelt zu sein, in der wir versuchen unsere Hoheitsgebiete gegen kleinen Monster zu verteidigen, die ihrerseits nichts anderes im Sinn haben als die Festung unseres Egos zu erobern.
Manchmal – vielleicht gerade dann, wenn die Bemühungen uns zu verteidigen von Erfolg gekrönt sind – können wir spüren, dass da irgendetwas nicht stimmt:
Denn die Kinder brauchen uns ja und sehnen sich nach der Wiege liebender Freundlichkeit und wir verpasssen mit diesen Tricks eine unglaubliche wertvolle Gelegenheit uns hinzugeben, weil wir die Kinder vornehmlich in unserem Sinne verwalten.

Aufgeben und Loslassen ist der Ausgangspunkt des Pfades. Wenn wir das einmal anerkannt haben, werden wir auch den Pfad des Elternseins sehr direkt und ehrlich erfahren und unseren Kinder wirklich liebende Fürsorge zukommen lassen.

Werde, der du bist

Wenn wir uns darin üben, achtsam mit unseren Kindern zu sein und sie unvoreingenommen zu erfahren, geben wir ihnen die Chance wirklich zu sein, wer sie sind, und ihr Potential zu entfalten ohne dass wir da manipulierend eingreifen müßten.
Wahrscheinlich haben wir jedoch, wie die meisten Eltern, eine Menge Ansichten und allerleih Erwartungen, wie unsere Kinder sind und wie sie sein sollten; und natürlich haben wir auch Ideen, was unsere Kinder werden könnten: Banker oder Künstler, Buddhisten und freundliche Menschen oder reiche und erfolgreiche Leute. Oft hat das sehr viel mit unseren eigenen Ambitionen und sehr wenig mit dem Sein unserer Kinder zu tun.
Ihnen wirklich die Botschaft zu vermitteln „werde, der du bist“ fängt mit den vermeintlichen Kleinigkeiten des Alltags an.
Wenn unser Kleinkind einen Wutausbruch hat oder unser halbwüchsiges Kind sich in Suchtmustern mit seinem Comnputer oder Alkohol verwickelt, können wir versuchen wirklich zu spüren, was dahinter steckt: Schmerz oder unerfüllte Sehnsucht. Wir können ihnen unser Herz öffnen und mit ihnen fühlen statt peinlich berührt, wütend oder panisch zu sein. Das ist, wonach sich unsere Kinder sehnen: dass wir ihre Erfahrungen anerkennen und mitfühlen und nicht verleugnen.

Zu fortgesetzt werden….

Fotos durch Sophie Maclaren und Chris Tamjidi

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